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St. Gallen, 18. Mai 2010
Protest gegen die Suspendierung von Baltasar Garzón
Aufklärung ist ein Menschenrecht

Die Paul Grüninger Stiftung verurteilt die Suspendierung des spanischen Ermittlungsrichters Baltasar Garzón. Das Vorgehen des höchsten Richtergremiums Spaniens gegen einen Richter, der Menschheitsverbrechen des Franco-Regimes aufklären wollte, ist nicht nur ein eklatanter Verstoss gegen internationale Rechtsnormen, sondern auch ein Einschüchterungsversuch gegen jene Einwohnerinnen und Einwohner Spaniens, die sich mit einem amtlich verordneten Gedächtnisverlust nicht abfinden können. Die Paul Grüninger Stiftung solidarisiert sich mit ihnen und mit dem suspendierten Ermittlungsrichter Baltasar Garzón. Schonungslose Aufklärung vergangener Menschheitsverbrechen ist nach Ansicht der Stiftung eine unverzichtbare Grundlage jeder demokratischen Entwicklung.


Anlässlich der Suspendierung des spanischen Ermittlungsrichters Baltasar Garzón durch das Höchste Richtergremium erinnert die Paul Grüninger Stiftung daran:

– dass die Vollversammlung der Vereinten Nationen, der Europarat und das Europaparlament den Militärputsch von 1936 verurteilt haben, der zum Spanischen Bürgerkrieg und dank militärischer Unterstützung durch das nationalsozialistische Deutschland und das faschistische Italien zur Installierung eines diktatorischen Regimes unter General Francisco Franco führte;

– dass unter diesem Regime rund 200 000 Militärgerichtsverfahren stattfanden, in denen mehr als 100 000 Todesurteile gefällt und 50.000 vollstreckt wurden;

– dass zusätzlich Zehntausende Gegner des Regimes ohne vorheriges Verfahren ermordet und Hunderttausende zur Flucht gezwungen wurden;

– dass mehrere zehntausend Überlebende ausserdem ihrer Besitztümer beraubt sowie ihrer Ämter und Posten enthoben wurden, ohne dass ihnen je gestattet worden ist, Anspruch auf Entschädigung des ihnen zugefügten Schadens zu erheben;

– dass im Oktober 1977, knapp zwei Jahre nach dem Tod des Diktators, ein Amnestiegesetz erlassen wurde, das die während der Diktatur begangenen Verbrechen, die nach international üblicher Rechtsauffassung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzusehen sind, für verjährt erklärt hat;

– dass die Forderungen nach einer Revision und Annullierung der Militärgerichtsverfahren vom Obersten Gerichtshof mit dem Argument abgewiesen wurden, die während der Diktatur gefällten Urteile hätten den damals geltenden Gesetzen entsprochen;

– dass auch das sogenannte Gesetz der Historischen Erinnerung aus dem Jahr 2007 der von seinen Initiatoren ursprünglich angestrebten Absicht nach Wahrheitsfindung und Entschädigung der Opfer nicht gerecht geworden ist. Insbesondere vermeidet dieses Gesetz, die während der Diktatur gefällten politisch motivierten Urteile aufzuheben, auch wenn es einräumt, dass die ihnen zugrundeliegenden Gerichtsverfahren illegitim waren und die elementarsten Verfahrensregeln verletzt haben. Das UNO-Menschenrechtskomitee hat Spanien an die Notwendigkeit erinnert, das Amnestiegesetz aufzuheben und sich an die Rechtsauffassung zu halten, derzufolge Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht verjähren;

– dass Baltasar Garzón in Erfüllung dieser Rechtsauffassung es für erwiesen erachtet hat, dass eine juristische Basis existiert, um die während und unter der Diktatur begangenen Verbrechen zu ahnden, und deshalb das Gericht für kompetent erklärt hat, einer Sammelklage von 22 Opfern und Opferverbänden stattzugeben, betreffend den Tatbestand aussergerichtlicher Hinrichtungen, das Verscharren ermordeter Gegner der Diktatur in Massengräbern sowie das Verschleppen von 30.000 Kindern, die in den Jahren der Diktatur ihren Müttern und sonstigen Angehörigen geraubt wurden;

– dass diese Auffassung und das entsprechende Vorgehen des Richters vom Obersten Gerichtshof auf Antrag der rechtsextremistischen Organisationen Manos Limpias und Falange Española als Rechtsbeugung geahndet wurde und unter juristisch wie demokratiepolitisch bedenklichen Umständen zu der am 14. Mai 2010 erfolgten Suspendierung geführt hat.


Die Paul Grüninger Stiftung ist von den Nachkommen des St. Galler Flüchtlingsretters Paul Grüninger gegründet worden. Sie setzt sich für die Erinnerung an die Verbrechen aus der Zeit von Nationalsozialismus und Faschismus ein und kämpft für die Verteidigung der Menschenrechte in Gegenwart und Zukunft. Die schonungslose Aufklärung vergangener Menschheitsverbrechen ist eine Grundlage jeder demokratischen Entwicklung. Im Vorgehen gegen Baltasar Garzón sieht die Paul Grüninger Stiftung nicht nur einen eklatanten Verstoss gegen internationale Rechtsnormen, sondern auch einen Einschüchterungsversuch gegen jene Einwohnerinnen und Einwohner Spaniens, die sich mit einem amtlich verordneten Gedächtnisverlust nicht abfinden wollen und Aufklärung über die Zeit der Diktatur und das Schicksal ihrer ermordeten oder verschwundenen Angehörigen verlangen.
Die Paul Grüninger Stiftung solidarisiert sich mit ihnen und mit dem suspendierten Ermittlungsrichter Baltasar Garzón.

Im Auftrag des Stiftungsrates:
Erich Hackl, Schriftsteller, Wien, Mitglied des Stiftungsrates
Stefan Keller, Historiker, Zürich, Vizepräsident des Stiftungsrates
sekretariat@paul-grueninger.ch

   
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