Der Paul Grüninger Preis 2004 geht an
Damas Mutezintare Gisimba
Widerstand gegen den Genozid in Ruanda
Der 42-jährige Waisenhausleiter Damas Mutezintare Gisimba aus Kigali in Ruanda wird mit dem Paul Grüninger Preis 2004 ausgezeichnet.
Vor genau zehn Jahren, im Frühling 1994, wurden in Ruanda in einem Genozid hunderttausende von Menschen – vor allem Tutsi – umgebracht. Wer sich der mordenden Meute entgegenstellte, musste riskieren, ebenfalls sein Leben zu verlieren. Doch für Damas Mutezintare Gisimba, Direktor eines Waisenhauses in Nyamirambo, Kigali, war es nicht nur selbstverständlich, alle ihm anvertrauten Kinder zu schützen; er widerstand der Hasspropaganda und rettete viele weitere Kinder und erwachsene Flüchtlinge vor dem sicheren Tod. Gisimba gehört selber der Gruppe der Hutu an, er ist jedoch mit einer Tutsi-Frau verheiratet.
Unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft versteckte und beschützte der damals 32-jährige Damas Gisimba in den langen Monaten des Genozids – im April, Mai und Juni 1994 – mehr als 80 Erwachsene und etwa 300 Kinder vor ihren Verfolgern und Mördern. Er beherbergte sie und sorgte unter schwierigsten Umständen für ihre Ernährung. Mehrmals trat er den Verfolgern, die ihre Auslieferung forderten, unter Lebensgefahr direkt entgegen. Nicht in allen, aber in vielen Fällen konnte er sie von ihrem Vorhaben abbringen.
Aus dem Waisenhaus, das 1980 von Gisimbas Vater gegründet worden war und 64 Kinder aufgenommen hatte, wurde in Zeiten der Massaker ein Ort der Rettung für gegen vierhundert Personen, die sonst kaum eine Chance zum Überleben gehabt hätten.
Damas Mutezintare Gisimba hat mit Entschlossenheit und unermesslichem Mut eine menschliche Haltung bewahrt und sich dem Völkermord widersetzt. Gisimba war nicht der einzige in Ruanda, der den Verfolgten half und sein Leben für sie riskierte, doch er war einer von viel zu wenigen, und er tat es ohne Rücksicht auf Nachteile, die ihm oder seiner Familie daraus erwachsen konnten. Auf Antrag der afrikanischen Menschenrechtsorganisation African Rights hat der Stiftungsrat der Paul Grüninger Stiftung daher beschlossen, Damas Mutezintare Gisimba den Paul Grüninger Preis 2004 zu verleihen.
Der Paul Grüninger Preis wird seit 2001 alle drei Jahre ausgeschrieben. Er beträgt 50 000 Schweizer Franken und soll Personen auszeichnen, die sich durch besondere Menschlichkeit, besonderen Mut und besondere Unvoreingenommenheit hervorgetan haben. Den ersten Paul Grüninger Preis erhielt im Jahre 2001 die afghanische Ärztin Dr. Sima Samar. Für die Vergabe des zweiten Paul Grüninger Preises lagen dem Stiftungsrat mehr als vierzig gut dokumentierte Kandidaturen aus vier Kontinenten vor.
Der Stiftungsrat der Paul Grüninger Stiftung gratuliert Damas Gisimba zu seiner grossen humanitären Leistung, er bedankt sich bei ihm für seine Taten und fühlt sich geehrt, dass Herr Gisimba den Preis in St. Gallen persönlich entgegennehmen wird.
Verleihung des Paul Grüninger Preises 2004 am Freitag, 19. März 2004, 19 Uhr, im Waaghaussaal St. Gallen.
Die Laudatio hält William A. Schabas, Leiter des Irish Centre for Human Rights und Professor für humanitäres Völkerrecht an der National University of Ireland, Galway. Schabas ist Experte für die Ereignisse in Ruanda und unter anderem Autor des Buches «Genozid im Völkerrecht» (Hamburg 2003). Er war im Auftrag verschiedener Menschenrechtsorganisationen in Ruanda und zahlreichen anderen Ländern als Berater für Menschenrechtsfragen tätig.